Stell dir vor, du verzichtest auf Flugreisen, isst kein Fleisch mehr und trennst deinen Müll vorbildlich – und dennoch steigt der weltweite CO₂-Ausstoss weiter. Während du dich abmühst, setzen Politik und Wirtschaft auf fossile Energien und ignorieren wirksame Klimamassnahmen. Ist es wirklich deine individuelle Verantwortung, die Welt zu retten? Oder lenkt der moralische Druck auf Einzelne nur von den eigentlichen Lösungen ab?
Wer sich heute für eine gerechte Weltordnung einsetzt, wird schnell mit moralischen Forderungen konfrontiert: Weniger fliegen, kein Fleisch essen, den CO₂-Fussabdruck minimieren. Doch wird damit die Klimakrise tatsächlich gelöst? Oder führt diese Fixierung auf individuelles Verhalten dazu, dass die strukturellen Ursachen des Problems aus dem Blick geraten?
Klimawandel ist kein Lifestyle-Problem, sondern eine globale politische Krise. Die Hauptverursacher sind nicht die Einzelnen, sondern wirtschaftliche und politische Strukturen, die seit Jahrzehnten fossile Abhängigkeiten fördern. Trotzdem wird der moralische Druck oft auf das Individuum verlagert: Wer sich nicht perfekt klimafreundlich verhält, wird schnell als Heuchler abgestempelt.
Ein Beispiel: Ein Klimaaktivist, der sich an der Strasse festklebt, aber dann selbst ein Flugzeug besteigt, erntet einen Shitstorm. Doch ist das gerechtfertigt? Die Argumentation «Das Flugzeug fliegt ja auch ohne mich» ist nicht nur bequem, sondern auch richtig. Doch sie weist auf ein viel tiefer liegendes Problem hin: Solange es keine politischen Massnahmen gibt, die den Flugverkehr regulieren, wird individuelles Verhalten keinen signifikanten Unterschied machen.
Natürlich ist es sinnvoll, wenn Menschen bewusster konsumieren. Aber reicht das aus? Nein. Strukturelle Probleme erfordern strukturelle Lösungen. Gesetze, internationale Abkommen, CO₂-Bepreisung, technologische Innovationen – das sind die Stellschrauben, die tatsächlich etwas fürs Klima bewirken.
Wer also wirklich Verantwortung übernehmen will, sollte sich politisch engagieren: Abstimmen, Initiativen unterstützen, politischen Druck aufbauen. Denn solange die grosse Mehrheit auf individuelle Moral setzt, statt kollektive Verantwortung einzufordern, bleibt der Klimakampf ein gut gemeintes, aber ineffektives Projekt.