Was ist angewandte Ethik?
Stellen Sie sich vor: Ein Unternehmen produziert ein beliebtes Produkt, das günstig hergestellt, aber unter schlechten Arbeitsbedingungen in einem Niedriglohnland gefertigt wird. Die Rechtslage ist geklärt – alles ist legal. Die Gewinnmarge ist hoch, der Druck von Konkurrenz und Aktionären ebenso.
Ein Vertreter deontologischer Ethik könnte sagen: «Es gibt Regeln. Wenn niemand gesetzlich verletzt wird, ist das moralisch zulässig.»
Ein konsequentialistischer Ansatz würde fragen: «Was sind die Folgen? Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf die Arbeiterinnen vor Ort, auf den lokalen Markt, auf unsere Reputation?»
Die Tugendethik schliesslich würde den Fokus auf die Frage legen: «Was wäre eine integre, verantwortungsbewusste Haltung für ein Unternehmen? Wie würden wir handeln, wenn wir das Gute wollen – und nicht nur das rechtlich Zulässige?»
Angewandte Ethik vereint diese Blickwinkel – und fragt, was in der konkreten Situation angemessen, verantwortbar und begründbar ist. Sie erlaubt keine vorschnellen Urteile, aber bietet ein methodisches Rüstzeug, um komplexe moralische Fragen differenziert zu betrachten.
In der Praxis bedeutet das: Moralische Fragen lassen sich selten mit einer einzigen Regel beantworten. Es braucht das Zusammenspiel verschiedener ethischer Perspektiven, um verantwortbare und lebensnahe Entscheidungen zu treffen. Genau das ist die Stärke der angewandten Ethik – und der Anspruch meiner Praxis.